„Künstlich verarmt“Interview: Prof. Anne Lenze über die Sozialrichter-Kritik an der Hartz-IV-Berechnung Die Hartz-IV-Sätze sind zu niedrig, entschied das Berliner Sozialgericht. Nun soll das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob die Art und Weise, wie der Bedarf der Hartz-IV-Empfänger berechnet wird, rechtens ist. Der Staat musste nach einem Urteil der Karlsruher Richter schon einmal nachbessern. Nach Ansicht des Berliner Sozialgerichts ist auch die neue Methodik zur Berechnung der Hartz-IV-Sätze nicht nachvollziehbar. Wo hakt es Ihrer Meinung nach? PROF. ANNE LENZE: Der Gesetzgeber hat an einigen Stellschrauben gedreht, um den Regelsatz möglichst niedrig zu halten. Er hat die Vergleichsgruppe, anhand der die Regelsätze bestimmt wurden, künstlich verarmt, indem er nicht mehr die untersten 20 Prozent, sondern nur noch die untersten 15 Prozent der einkommensschwächsten Haushalte herangezogen hat. Ob das Bundesverfassungsgericht das akzeptiert, ist offen. Ich meine aber: Wenn man von einer ärmeren Vergleichsgruppe ausgeht, dann wird wegen der übrigen Stellschrauben, die der Gesetzgeber angezogen hat, das menschliche Existenzminimum nicht mehr erreicht. Welche Stellschrauben sind das? Erwarten Sie, dass nun auch das Bundesverfassungsgericht weitere Nachbesserungen verlangen wird? Liefe eine neue Berechnungsweise auf eine Erhöhung der Hartz-IV-Bezüge hinaus? Laut Gesetz soll bis 2013 die Methode zur Berechnung von Hartz-IV-Bezügen weiterentwickelt werden. Ist zu befürchten, dass Karlsruhe die Berliner Klage deshalb abweist? Müsste der Staat dann nicht an diese nachzahlen? Hartz-IV-Leistungen sollen nach dem Gesetz das Existenzminimum abdecken. Ist damit das Lohnabstandgebot tot? |
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Die Regelsätze für Hartz IVDer Regelsatz für einen Hartz-IV-Empfänger, also einen Empfänger von Arbeitslosengeld II, beträgt derzeit 374 Euro im Monat. 2013 sollen es nach vorläufigenBerechnungen des Bundesfinanzministeriums 382 Euro werden. Partner in Bedarfsgemeinschaften bekommen derzeit 337 Euro im Monat. Der Höchstsatz für Kinder unter fünf Jahren liegt bei 219 Euro, von sechs bis 13 Jahren bei 251 Euro und für Kinder von 14 bis 17 Jahren bei 287 Euro. Volljährige bis 24 Jahre, die im Haushalt der Eltern leben, bekommen 299 Euro monatlich. Hinzu kommen Miet- und Heizkosten. Für Kinder gibt es das Bildungs-und Teilhabepaket, zu dem etwa Nachhilfe bei Bedarf gehört.
Hartz IV soll nur das unterste Fangnetz sein, um Langzeitarbeitslosen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Sobald ein Empfänger andere Einkünfte hat, wird das Hartz- IV-Geld entsprechend gekürzt. Hartz-IV-Empfänger gehen also bei zusätzlichen Leistungen vom Staat leer aus. Das gilt für Kinder- und Elterngeld. Das Sozialgesetzbuch sieht auch pauschal vor, das geplante Betreuungsgeld anzurechnen.
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