Politische Geisterfahrt beim Betreuungsgeld beendenBerlin (ots) - Das Deutsche Kinderhilfswerk ruft die Bundesregierung dazu auf, die politische Geisterfahrt beim Betreuungsgeld zu beenden. "Die Bundesregierung versucht hier ein Projekt durchzuziehen, das geradewegs in eine bildungspolitische Sackgasse führt. Es ist zu befürchten, dass gerade Kinder aus bildungsfernen und finanziell benachteiligten Familien bis zum 3. Lebensjahr aus den Kinderkrippen und Kindertagesstätten herausgedrängt werden. Das konterkariert alle Bemühungen etwa der frühkindlichen Sprachförderung", betont der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes, Thomas Krüger. "Wir müssen in der frühkindlichen Bildung dicke Bretter bohren. Das gilt insbesondere für den Kita-Ausbau und die Verbesserung der Qualität in Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege. Hier müssen vorhandene finanzielle Ressourcen investiert werden. Stattdessen will die Bundesregierung mit dem Betreuungsgeld jedes Jahr bis zu zwei Milliarden Euro verpulvern. Dieses Geld fehlt dann auch in der Kinder- und Jugendhilfe ebenso wie bei der Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland. Die Bundesregierung sollte sich deshalb besinnen und den Gesetzentwurf für das Betreuungsgeld schleunigst ad acta legen" so Krüger weiter.Es muss bedenklich stimmen, dass bei der Ressortabstimmung noch immer vier Minister der Regierungskoalition sogenannte Leistungsvorbehalte gegen den Gesetzentwurf eingelegt haben. Hauptkritikpunkt ist dabei die unklare Finanzierung des Betreuungsgeldes. Zudem zeigen die mögliche kurzzeitige Doppelförderung durch Betreuungsgeld und Elterngeld und vor allem die verfassungsrechtlichen Bedenken der Bundesjustizministerin, dass der Gesetzentwurf an vielen Stellen Flickschusterei ist. "Wir brauchen eine konkrete Infrastruktur vor allem für benachteiligte Kinder, statt familienpolitischer Ideologie aus dem Freistaat Bayern", so Krüger abschließend. Nach Ansicht des Deutschen Kinderhilfswerkes ist es zudem wichtig, die Mitbestimmung von Kindern in Kindertageseinrichtungen ganz nach vorne auf die Tagesordnung zu setzen. Der Kinderreport 2012 des Deutschen Kinderhilfswerkes hat gezeigt, dass die frühe Beteiligung von Kindern den Kreislauf der Vererbung von Armut durchbricht. Kinder entwickeln durch Mitbestimmung schon in jungem Alter soziale Kompetenzen, die sie stark machen. Dadurch können die Kinder erfolgreich mit aversiven Reizen umgehen. Für Kinder aus benachteiligten sozialen Lagen ist es also von besonderer Bedeutung, schon im jungen Alter in der Kita entsprechende Erfahrungen machen zu können. Durch frühe Mitbestimmung können die Kinder die Folgen von sozialer Benachteiligung kompensieren. Weitere Informationen und Rückfragen: Uwe Kamp, Pressesprecher Telefon: 030-308693-11 Mobil: 0160-6373155 Fax: 030-2795634 Mail: presse@dkhw.de Internet: www.dkhw.de und www.facebook.com/dkhw.de Das Deutsche Kinderhilfswerk e.V., Interessenvertreter für ein kinderfreundliches Deutschland, wurde 1972 in München gegründet. Als Initiator und Förderer setzt sich der gemeinnützige Verein seit 40 Jahren für Kinderrechte, Beteiligung und die Überwindung von Kinderarmut in Deutschland ein. |
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Deutsches Kinderhilfswerk fordert zum Weltspieltag am 28. Mai 2012 mehr Akzeptanz für spielende Kinder im WohnumfeldBerlin (ots) - Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert zum Weltspieltag am 28. Mai 2012 mehr Akzeptanz für spielende Kinder im Wohnumfeld. Gleichzeitig soll mit dem Weltspieltag die Bedeutung des Spiels für Kinder ins Bewusstsein von Politik und Gesellschaft gerufen werden. Der Weltspieltag steht in Deutschland in diesem Jahr unter dem Motto "Gemeinsam Spielen!" und wird vom Deutschen Kinderhilfswerk im Rahmen des "Bündnis Recht auf Spiel" koordiniert. Am Weltspieltag finden in mehr als 60 Kommunen fast 200 Aktionen statt, die vor Ort von öffentlichen Einrichtungen, Vereinen und Nachbarschaftsinitiativen durchgeführt werden. Die Schirmherrschaft über den Weltspieltag hat die Kinderkommission des Deutschen Bundestages übernommen. |
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„Künstlich verarmt“Interview: Prof. Anne Lenze über die Sozialrichter-Kritik an der Hartz-IV-Berechnung Die Hartz-IV-Sätze sind zu niedrig, entschied das Berliner Sozialgericht. Nun soll das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob die Art und Weise, wie der Bedarf der Hartz-IV-Empfänger berechnet wird, rechtens ist. Der Staat musste nach einem Urteil der Karlsruher Richter schon einmal nachbessern. Nach Ansicht des Berliner Sozialgerichts ist auch die neue Methodik zur Berechnung der Hartz-IV-Sätze nicht nachvollziehbar. Wo hakt es Ihrer Meinung nach? PROF. ANNE LENZE: Der Gesetzgeber hat an einigen Stellschrauben gedreht, um den Regelsatz möglichst niedrig zu halten. Er hat die Vergleichsgruppe, anhand der die Regelsätze bestimmt wurden, künstlich verarmt, indem er nicht mehr die untersten 20 Prozent, sondern nur noch die untersten 15 Prozent der einkommensschwächsten Haushalte herangezogen hat. Ob das Bundesverfassungsgericht das akzeptiert, ist offen. Ich meine aber: Wenn man von einer ärmeren Vergleichsgruppe ausgeht, dann wird wegen der übrigen Stellschrauben, die der Gesetzgeber angezogen hat, das menschliche Existenzminimum nicht mehr erreicht. Welche Stellschrauben sind das? Erwarten Sie, dass nun auch das Bundesverfassungsgericht weitere Nachbesserungen verlangen wird? Liefe eine neue Berechnungsweise auf eine Erhöhung der Hartz-IV-Bezüge hinaus? Laut Gesetz soll bis 2013 die Methode zur Berechnung von Hartz-IV-Bezügen weiterentwickelt werden. Ist zu befürchten, dass Karlsruhe die Berliner Klage deshalb abweist? Müsste der Staat dann nicht an diese nachzahlen? Hartz-IV-Leistungen sollen nach dem Gesetz das Existenzminimum abdecken. Ist damit das Lohnabstandgebot tot? |
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Die Regelsätze für Hartz IVDer Regelsatz für einen Hartz-IV-Empfänger, also einen Empfänger von Arbeitslosengeld II, beträgt derzeit 374 Euro im Monat. 2013 sollen es nach vorläufigenBerechnungen des Bundesfinanzministeriums 382 Euro werden. Partner in Bedarfsgemeinschaften bekommen derzeit 337 Euro im Monat. Der Höchstsatz für Kinder unter fünf Jahren liegt bei 219 Euro, von sechs bis 13 Jahren bei 251 Euro und für Kinder von 14 bis 17 Jahren bei 287 Euro. Volljährige bis 24 Jahre, die im Haushalt der Eltern leben, bekommen 299 Euro monatlich. Hinzu kommen Miet- und Heizkosten. Für Kinder gibt es das Bildungs-und Teilhabepaket, zu dem etwa Nachhilfe bei Bedarf gehört.
Hartz IV soll nur das unterste Fangnetz sein, um Langzeitarbeitslosen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Sobald ein Empfänger andere Einkünfte hat, wird das Hartz- IV-Geld entsprechend gekürzt. Hartz-IV-Empfänger gehen also bei zusätzlichen Leistungen vom Staat leer aus. Das gilt für Kinder- und Elterngeld. Das Sozialgesetzbuch sieht auch pauschal vor, das geplante Betreuungsgeld anzurechnen.
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Streit um Betreuungsgeld für Hartz IV-BezieherParitätischer kritisiert Vorhaben als unsinnig und sozial ungerecht Als schamlose Brüskierung von Hartz IV-Bezieherinnen kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband die Ankündigung der Bundesfamilienministerin, das geplante Betreuungsgeld Eltern im Hartz IV-Bezug zu verweigern. Es sei zweifelhaft, ob diese Ungleichbehandlung mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Der Verband fordert die Bundesregierung auf, endlich Abstand von den Plänen zur Einführung des umstrittenen Betreuungsgeldes zu nehmen. Da es sich bei dem Betreuungsgeld nicht um eine Hilfeleistung, sondern um eine Anerkennungsprämie handelt, gebe es keinerlei Begründung, diese Leistung ausgerechnet Hartz IV-Bezieherinnen zu verweigern. Nach der bereits erfolgten faktischen Streichung des Elterngeldes würden arme Mütter und Väter erneut willkürlich diskriminiert. "Der Vorgang zeigt, dass das Projekt völlig unausgegoren und fachlich nicht mehr zu retten ist", konstatiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. "Das Betreuungsgeld ist eine familien- und bildungspolitisch unsinnige Prämie für Besserverdienende. Es geht weder um Wahlfreiheit noch um die Anerkennung für familiäre Betreuungs- und Erziehungsleistungen. Es geht ausschließlich um einen Bonus für Familien, die finanziell nicht drauf angewiesen sind", so Schneider. Der Paritätische appelliert an die Bundesregierung, das umstrittene Vorhaben umgehend zu stoppen und die Gelder lieber in sinnvolle Familienpolitik zu investieren. Notwendig seien insbesondere die weitere Verbesserung des Betreuungs- angebotes und Hilfen für die Familien, die die Unterstützung des Staates wirklich benötigen. Quelle: Paritätische Gesamtverband |
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Arme Kinder, arme Eltern: Familien in Hartz 4von Dr. Ulrich Schneider, Gwendolyn Stilling und Christian Woltering „Kinderarmut geht zurück“ – Mit dieser Schlagzeile wurden wir Ende Januar überrascht. Die Zahl der Kinder in Hartz IV sei in den letzten fünf Jahren um über 14 Prozent zurückgegangen. Die gute Arbeitsmarktentwicklung und die Bemühungen der Jobcenter speziell um Mütter mit Kindern hätten dies möglich gemacht. Wir nahmen dies zum Anlass genauer hinzuschauen und die Aussagen zu überprüfen. |
Hier wird der Zusammenhang zwischen demografischer Entwicklung und regionaler Armutsentwicklung besonders deutlich: Würden morgen in dem für seine Kinderfreundlichkeit bekannten Berliner Bezirk Prenzlauer Berg noch einmal 1000 Kinder mehr zur Welt kommen, würde die Armutsquote in Berlin sinken, ohne dass in Berlin-Neukölln auch nur ein Kind aus Hartz IV herausgeholt würde. In allen ostdeutschen Ländern und Hamburg wird der Abbau der Hartz IV-Armut von Kindern durch eine erfreuliche Tab. 1: Entwicklung SGB II-Quote von Kindern unter 15 Jahren seit 2006 Bundesländer - Auswahl |
Problemregion RuhrgebietAuch wenn Sie in der Liste der Bundesländer mit klaren Trends Nordrhein-Westfalen nicht finden, war es für uns aus zwei Gründen einer näheren Betrachtung wert. Zum einen lebt in diesem großen Flächenland mehr als ein Viertel der Kinder im Hartz IV Bezug. Zum anderen wissen wir seit unserem letzten Armutsbericht, dass das Ruhrgebiet armutspolitisch eine besonders besorgniserregende Problemregion darstellt. Die Zahlen zum Hartz IV-Bezug von Kindern bestätigen diesen Befund in erschreckender Weise. Tab. 2: Entwicklung SGB II-Quote von Kindern unter 15 Jahren seit 2005 – Ruhrgebiet Datenquelle: Statistisches Bundesamt (GENESIS), Bundesagentur für Arbeit sowie eigene Berechnungen |
Risikogruppen: Kinderreiche und AlleinerziehendeEs ist keinesfalls überdramatisiert, wenn wir sagen: Hartz IV zerstört Kindheit. Kinder wollen nichts sehnlicher als
Jedes zweite Kind in Hartz IV lebt in einem Alleinerziehendenhaushalt. Alleinerziehend zu sein ist das Armutsrisiko In sechs Bundesländern – den ostdeutschen sowie Nordrhein-Westfalen und Bremen – ist sogar jede |
Notwendige MaßnahmenDer erschreckende Befund zur Armutsbetroffenheit von Alleinerziehenden hängt sicherlich nach wie vor mit fehlenden passgenauen Kinderbetreuungsmöglichkeiten und viel zu wenig familienfreundlichen Arbeitsplätzen zusammen. Hier muss noch viel getan werden und hier wird auch einiges getan. Doch wird in der öffentlichen Diskussion oftmals das falsche Bild suggeriert, es ginge allein und vor allem darum, gut ausgebildeten Frauen endlich über Betreuungsplätze für ihre Kinder die Möglichkeit zu geben, wieder ihrer Arbeit nachzugehen.Eine solche Problemanalyse geht an der Realität vorbei und greift wesentlich zu kurz. Sie blendet aus, dass gerade einmal eine gute Hälfte der alleinerziehenden Frauen Kinder im Alter zwischen null und sechs Jahren hat, und sie blendet vor allem aus, dass über die Hälfte dieser Frauen keinen Berufsabschluss und 19 Prozent nicht einmal einen Schulabschluss haben. Will man wirklich etwas für diese Frauen tun, ist es geradezu widersinnig, auf der einen Seite einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung zu schaffen und auf der anderen Seite alle Instrumente und Maßnahmen, die viele dieser Frauen brauchen, um an den Arbeitsmarkt herangeführt zu werden aus haushaltspolitischen Gründen zusammenzustreichen.
Reform des KinderzuschlagsEin regelrechter Skandal ist in diesem Zusammenhang, dass fast die Hälfte der rund 1,3 Millionen Aufstocker in Hartz IV, über 600.000 Menschen, in Haushalten mit Kindern lebt. 169.000 von ihnen sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt und arbeiten Vollzeit. Sie haben zusammen rund 200.000 Kinder in ihren Familien; Kinder, die von früh auf lernen, dass ihre Eltern Tag für Tag von morgens bis abends arbeiten, nur damit es am Ende des Monats doch nicht reicht. Diese Familien haben in Hartz-IV nichts zu suchen. Eigentlich sollte sie der Kinderzuschlag vor diesem Schicksal bewahren. Auf Grund der sehr restriktiven Bewilligungsvoraussetzungen wird dieser gerade einmal an 300.000 Kinder gezahlt. Eine Reform des Kinderzuschlags ist demnach dringend geboten. Rechtsanspruch auf TeilhabeDoch selbst wenn es uns gelänge, eine große Zahl von Familien wieder in Arbeit zu bringen, und wenn es uns gelänge, den Kinderzuschlag so zu reformieren, dass Arbeit auch Familien vor Hartz IV schützt: Solche Erfolge würden nichts daran ändern, dass für die Verbleibenden Hartz IV immer noch bitteren Mangel und materiell bedingte Ausgrenzung, zum Teil brutal empfundene Ausgrenzung bedeutet. Mit Hartz IV ist es unmöglich, ein Kind halbwegs angemessen über den Monat zu bringen. Nicht einmal die notwendigen Güter des täglichen Bedarfs können von Regelsätzen zwischen 219 und 287 Euro bestritten werden. Es ist ein Armutszeugnis dieser Bundesregierung sondergleichen, dass auch zwei Jahre, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Berechnung der Regelsätze für Kinder mit Verweis auf das Gebot der Menschenwürde beanstandet hat, die Leistungen noch immer nicht bedarfsgerecht angepasst wurden. Daran ändert auch das vor einem Jahr verabschiedete sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung nichts. Schon heute zeigt sich: Es ist gefloppt und hilft den Kindern nicht wirklich.
Quelle: www.der-paritaetische.de
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